Studie «Neue Räume»
Die HIG Immobilen Stiftung forschte in einer zweiteiligen Studie nach dem Bild vom idealen Lebens-, Wohn- und Arbeitsraum. Als wichtigste Spannungsfelder taten sich die Ambivalenz zwischen dem Wunsch nach Individualität und dem Bedürfnis nach Gemeinschaft sowie die Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatem hervor. Wie eine Balance hergestellt werden kann, hängt von der jeweiligen Zielgruppe ab und wird massgeblich durch die Lage und Mobilitätsanbindung sowie den Preis der Wohnung beeinflusst.
Chance für die Immobilienwirtschaft
Die Anforderungen und Wünsche von Wirtschaft und Gesellschaft an den Immobilienmarkt verändern sich ständig: Demografischer und sozialer Wandel sowie neue Technologien beeinflussen unsere Vorstellungen vom Lebens- und Arbeitsraum. Dass Veränderung tatsächlich möglich ist, haben die Erfahrungen mit der Corona-Pandemie gezeigt. Die HIG Immobilien Anlagestiftung untersuchte in den letzten zwei Jahren, wohin die Reise geht. Mit ihrer Studie «Neue Räume» befragte sie Experten und Laien in einem zweistufigen Verfahren und forschte nach unserem Bild vom idealen Lebens-, Wohn- und Arbeitsraum. Denn für die Immobilienwirtschaft stellt sich die Frage: Ist jetzt die Zeit für «neue Räume»?
Teil 1: Die Wiederentdeckung des Lokalen
Im ersten Schritt der Studie wurde in einer qualitativen Erhebung das Vorstellungsspektrum von Möglichkeiten, Chancen und Risiken ausgelotet. Hierzu hat das Forscherteam Einzelgespräche mit Geschäftsleitern und Personalverantwortlichen aus verschiedenen Branchen sowie mit Anbietern und Verwaltern von Wohnimmobilien geführt, um deren Einschätzungen, Erwartungen und Ideen für die künftige Entwicklung des Immobilienmarktes in Erfahrung zu bringen.
Die Gespräche haben gezeigt, dass es gilt, die Ambivalenz zwischen dem Wunsch nach Individualität und dem Bedürfnis nach Gemeinschaft sowie die Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatem auszubalancieren. Neue Nutzungen wie Mobilitäts-Apps und Co-Working-Spaces werden bereits erprobt, und der erste Teil der Studie «Neue Räume» hat das Bedürfnis danach erhärtet. Da Politik und Gesetzgeber Arbeiten und Wohnen aber immer noch als getrennte Bereiche betrachten, lassen die heutigen Baugesetze zu wenig Spielraum, um «neue Räume» für eine flexiblere Arbeits- und Freizeitgestaltung in den Wohnquartieren zu entwickeln.
Weitere Details finden sich in folgendem Bericht: Neue Räume oder die Wiederentdeckung des Lokalen
Teil 2: Gemeinsam allein oder Quartierleben mit Services?
Das Ergebnis der qualitativen Befragung verweist auf eine neue Pluralität von Bedürfnissen, die aus dem Funktionszuwachs unserer Lebensräume resultiert. Wenn Arbeiten und Wohnen wieder stärker aufeinandertreffen, haben «neue Räume» die Aufgabe, den Wunsch nach Individualität und das Bedürfnis nach Gemeinschaft auszubalancieren. Genau hier setzte der zweite Schritt der Studie an: In einer quantitativen Online-Befragung von 331 Teilnehmenden ermittelte die HIG, wie die Balance der unterschiedlichen Wohnbedürfnisse aus Sicht verschiedener Zielgruppen idealerweise gelingt, wo Kompromisse gemacht werden können und welche idealtypischen Wohnszenarien am beliebtesten sind.
Anhand der qualitativen Erhebung im ersten Studienschritt wurden drei Szenarien entworfen, die je eine spezifische Wohnform beschreiben. Für die Datenerhebung entwickelte die HIG ein eigenes Befragungsinstrument. Die Befragten wählten zunächst ihr bevorzugtes Szenario und hatten dann die Möglichkeit, Optionen für Nutzungen wie Mobilität, Gemeinschaftsräume oder Services zu ergänzen. Die Anzahl und Art der Optionen wirkten sich direkt auf den Preis der Wohnung aus. Die Teilnehmenden mussten also abwägen, für welche Angebote sie bereit waren, mehr zu bezahlen – und für welche nicht.
Weitere Informationen: Link zur Online-Befragung
Studienbericht
Die Ergebnisse der zweiteiligen Studie mündeten in einen Studienbericht, der soeben veröffentlicht wurde. Angesichts der Studienergebnisse dürften sich viele Immobilienentwickler in ihrem Kurs bestätigt sehen: Wer zum Beispiel ein zielgruppen- und ortssensibles Raumangebot wie Kleinwohnungen in städtischen Zentren, WG-taugliche Wohnungen in Hochschulnähe oder kostengünstige Nutzungen wie Grillplatz oder Kaffee-Ecke erstellt, folgt damit den Bedürfnissen der durchschnittlichen Nutzerschaft. Parkplatzreduktion ist dem Sachzwang Flächenmangel geschuldet. Auf ein eigenes Auto zu verzichten, wenn die ÖV Anbindung gut ist und gegebenenfalls ein Sharing-Angebot zur Verfügung steht, scheint aber – zumindest bei Teilen der Bevölkerung – auch einem neuen Bedürfnis oder einer neuen Einstellung zu entsprechen.
So naheliegend einige Studienergebnisse scheinen, so überraschend sind andere. Warum zum Beispiel wurde bei einer Wohnform für Senioren kein Spitex-Angebot gewählt? Warum sind Gästezimmer für Paare und Singles weniger interessant? … Um die tatsächlichen Bedürfnisse einer potenziellen oder bestehenden Bewohnerschaft zu ermitteln, ist es ratsam, neben der Markanalyse auch dialogbasierte Partizipation in die Immobilienentwicklung zu integrieren.
Download Studienbericht: Publikationen
Die Studie «Neue Räume» wurde von der Agentur für Immobilienkommunikation Creafactory AG in Zusammenarbeit mit der mrc marketing research & consulting ag durchgeführt. Mit dieser Erhebung knüpft die Auftraggeberin – die HIG Immobilien Anlage Stiftung – methodisch und inhaltlich an eine frühere Untersuchung an, aus der 2007 die Publikation «Lebensräume», erschienen im Niggli Verlag, hervorging.